Wetter-Schweiz: Rückblick auf die Warnlage

Am Samstag, den 29. Juni 2024, zog ein Tiefdruckgebiet von Frankreich in Richtung Süddeutschland und führte von Süden feuchte und instabile Luft zum Alpenraum.

Dies sorgte besonders auf der Alpensüdseite für kräftige Gewitter, welche in der Region vom Simplonpass bis zum Maggiatal hohe Niederschlagsmengen verursachten. Die Alpennordseite war mit Föhn zwar entlastet, jedoch konnten sich in der Westschweiz ebenfalls Gewitter entwickeln.

Ergiebige Niederschläge auf der Alpensüdseite

Die Luftmasse auf der Alpensüdseite war besonders günstig für die Entwicklung von intensiven Gewittern. Wie aus der Radiosondierung Novara-Cameri hervorgeht, war das atmosphärische Profil sehr instabil. Neben der Instabilität war auch viel Feuchtigkeit vorhanden.


Radiosondierung Novara Cameri um 12 UTC, 29.06.2024 (Quelle: MeteoSchweiz)

Die starke Südströmung brachte viel Feuchtigkeit zum Alpenbogen, welche wegen den Alpen gezwungen war aufzusteigen.

Der Ursprung der fast stationären Niederschlagslinien (in der folgenden Radaranimation zu sehen), wie sie über dem Maggiatal aufgetreten sind, liegt in der Wechselwirkung zwischen den Winden (in verschiedenen Höhenlagen) und der Orographie. Die aus der Ebene einströmende Luft war ausgesprochen instabil, wodurch es neben der mechanischen Hebung aufgrund der Berge auch eine thermodynamische Hebung gab, die die Niederschlagsbildung begünstigte.


Radaranimation 18 bis 21 UTC (Quelle: MeteoSchweiz)

Während des gesamten Ereignisses lagen die gemessenen Niederschlagssummen zwischen 40 und 100 mm. Das obere Maggiatal gehörte mit Niederschlagsmengen von über 120 mm, lokal bis 250 mm zu der stärksten betroffenen Region.


Gemessene Niederschlagsmengen zwischen Samstag 29.06 10 Uhr bis Sonntag 30.06 10 Uhr.

An der Messstation Cevio wurden im 60-Minuten-Intervall Niederschlagsmengen von über 46 mm gemessen, ein Wert, der statistisch gesehen eine Wiederkehrperiode von 10 Jahren hat. Leider wurde die Datenerfassung am 30. Juni gegen 00:30 Uhr unterbrochen. Aus der Radaranimation lässt sich jedoch abschätzen, dass die Niederschlagsintensität anschliessend abgenommen hat.


Die Auswirkungen waren insbesondere im oberen Maggiatal deutlich. Die folgende Grafik zeigt einen drastischen Anstieg des Abflusses der Maggia, der in nur drei Stunden von weniger als 50 m3/s auf über 700 m3/s anstieg.

Pegelstand (dunkelblau) und Abfluss (hellblau) des Flusses Maggia, gemessen in Ponte Nuovo in Bignasco. (Quelle: BAFU)

Im Wallis ebenfalls lokal ergiebiger Niederschlag

In der Westschweiz und im Wallis brachten die Gewitter vom Samstag in den Walliser Alpen hohe Niederschlagssummen. So wurden während des gesamten Ereignisses 158.5 mm an der Station Binn, 68.7 mm im Goms in Ulrichen und 114.5 mm im Saastal in Stausee Mattmark gemessen. Aufgrund des gewittrigen Niederschlagscharakters war die Intensität der Niederschläge über längere Zeit hoch. Der Grossteil der Niederschlagsmengen fiel über einen Zeitraum von 8 Stunden, zwischen 16 Uhr und Mitternacht.


(Mitte und links) Die Rhone tritt in Sierre über die Ufer (Rechts) Von einem Murgang abgelagertes Geröll auf der Strasse zum Simplonpass (VS) (Quelle: MeteoSchweiz Meteomeldungen/App)

Gewitteraktivität in der Westschweiz

In der Westschweiz zogen am Abend mehrere Zellen über das westliche Genferseegebiet und brachten starke Windböen, hohe Niederschlagsintensitäten und vereinzelt Hagel mit sich. So wurde in St-Prex eine Böe von 98.3 km/h gemessen. In Genf wurden 15.6 mm in 70 Minuten, in Nyon 21.9 mm in 50 Minuten und in Mathod 28.6 mm in einer Stunde und 50 Minuten gemessen. In Bezug auf Hagel wurden während der Gewitter zwischen Genf und Orbe zahlreiche Meteomeldungen in der MeteoSchweiz App erfasst.

Föhn auf der Alpennordseite

Über den Alpen stellte sich eine Föhnlage ein und bereits gegen Mittag wurden die ersten Sturmböen in Meiringen (81km/h) registriert, später stoss der Föhn weiter vor und so wurden auch in Wädenswil oder in Luzern starke Windböen (65-68 km/h) gemessen. Ebenfalls im Rhonetal blies der Föhn gestern bis spät in die Nacht mit maximalen Böen von 65.5 km/h in Sion und 59.4 km/h in Le Bouveret.



Der Föhn drang zum Teil weit nach Norden vor und wurde auch am Flughafen Zürich registriert. Der Wind und Temperaturverlauf zeigt ab 17 UTC kurz eine Wind- und Temperaturzunahme sowie eine Taupunktabnahme.

Ab Abend griffen zum Teil auch Niederschläge von Süden über die Alpen. In vielen Regionen registrierte das Radar in der Höhe Niederschlag, jedoch die Messstationen am Boden registrierten nur wenig Niederschlag. Der Niederschlag fiel in die trockene Föhnluft, verdunstete und sorgte so auch zum Teil für auffrischenden Wind.


Wind-, Temperatur und Niederschlagsverlauf an der Station Zürich-Kloten (Quelle: MeteoSchweiz)

Generell hatte die Luftmasse definitiv das Potential für Unwetter, der Föhn und auch der Saharastaub spielten jedoch eine entscheidende Rolle. Sie liessen eine Gewitterentwicklung in der Deutschschweiz nicht zu und das Übergreifen der konvektiven Niederschläge fiel schwächer aus als angenommen.


12-stündige Niederschlagsumme zwischen dem 29.06 16 Uhr und 30.06 4 Uhr (Quelle: MeteoSchweiz)

Wie im gestrigen Blog erwähnt, wurden besonders für die Alpennordseite fernab des Juras Sturmböen erwartet. Diese Sturmböen hätten durch heftige Gewitter ausgelöst werden sollen, welche in den Modellen ihre Zugbahn entlang des Juras aufwiesen. Aufgrund der schwachen Gewitterentwicklung direkt an der Schweizer Grenze kam es nicht zu dieser besagten starken Böenfront. Schlussendlich sorgten die Gewitter, welche sich am Abend in der Westschweiz und Frankreich bildeten, stellenweise für Windspitzen zwischen 50-60 km/h, in der Bodenseeregion lokal bis 76 km/h.

Weiterführende Links:

Bundesamt für Umwelt – Hydrologische Vorhersagen


Gewitterzelle aufgenommen von Bougy-Villars (VD).

 

Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz / Rückblick auf die Warnlage – MeteoSchweiz (admin.ch)
Titelbild: Dean Gill